Nachbar Europa - Eine polnisch-deutsche Kooperation

„Wen rufe ich an, wenn ich Europa sprechen will?“, soll einmal der ehemalige amerikanische Außenminister Henry Kissinger gefragt haben. Auf diese Frage gibt es wohl bis heute keine zufriedenstellende Antwort. Brüssel ist weit weg und seine Institutionen sind komplex. Wer also beantwortet die Frage nach der Idee Europa? Ist es eine rein ökonomische Idee? Wenn nicht, wo entwickelt sich der europäische Gedanke zu mehr als das?

 

Freunde und Nachbarn helfen für gewöhnlich, wenn man auf Fragen eine Antwort sucht. Projekte können dabei wirksame Unterstützung geben.

Im Rahmen eines europäischen Austauschprojektes besuchen sich seit einiger Zeit Menschen aus Polen und Deutschland. Auch inhaltlich verbindet die Nachbarn so einiges. Die Gemeinde im polnischen Bobolice trägt Verantwortung für ihre Bürgerinnen und Bürger, die alt, pflegebedürftig oder behindert sind. Der Pommersche Diakonieverein e.V. erfüllt diese Aufgabe gleichermaßen als gesellschaftlichen Auftrag in Deutschland.

Die Europäische Union möchte den Lebensstandard verbessern. Dies gilt auch für seine Bürgerinnen und Bürger mit Pflegebedarf bzw. körperlichen oder geistigen Behinderungen. Europa kann sympathisch(er) sein, wenn gemeinschaftliche Projekte dabei helfen, diesen Anspruch sichtbar werden zu lassen.

Vom 23.08.2017 bis 25.08.2017 war eine Delegation von Fach- und Führungskräften des Pommerschen Diakonievereins e.V. zu Gast in der Gemeinde Bobolice in Polen. An drei Tagen erhielten die Teilnehmenden einen umfassenden Einblick in die soziale Arbeit der Gemeinde und der Stadt Bobolice, sowie in die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Landes, die ausführlich durch die Mitarbeiterinnen des Sozialdezernates vorgestellt wurden.

 

In Bobolice gaben die Schwestern vom Katholischen Apostolat (Pallottinerinnen) einen Einblick in die Arbeit der Sozialeinrichtung für Kinder.

Über unseren Besuch freute sich Frau Teresa Krysztofiak vom Hospiz „Maximilian Kolbe“ in Koszalin. Neben ihrem engagierten Vortrag zur Arbeit des Hospizes, konnte Frau Krysztofiak ihre ohnehin sehr guten Kenntnisse der deutschen Sprache weiter ausbauen. Ganz besonders erwartet das Haus den Erweiterungsbau, der 2019 bezogen werden kann und die Lebensbedingungen der Menschen des Hauses, noch einmal wesentlich verbessern wird. Einen Einblick in die Arbeit eines Krankenhauses, erhielt die deutsche Delegation in einem Gesundheitszentrum der Stadt Koszalin, das insbesondere auf Lungenerkrankungen spezialisiert ist.

 

Im „Haus der Barmherzigkeit“ im Zentrum Koszalins, ist jede/r Hilfesuchende willkommen. Engagierte Fachkräfte helfen in der jeder Notlage. Die Menschen können für eine gewisse Zeit kostenfreie Aufnahme sowie fachliche Unterstützung finden. Ein wichtiger Teil um eine geregelte Tagesstruktur aufzubauen, ist die Mitarbeit im Haus und Tätigkeiten für die Einrichtung. Das „Haus der Barmherzigkeit“ lebt überwiegend vom Engagement, der Hilfsbereitschaft und der Spenden der Menschen in Polen.

 

Frau Inga Lewicka, die Leiterin des Hauses zur Selbsthilfe „Odnowa“ in Bobolice stellte am letzten Tag der Reise, die Arbeit des Hauses vor. Zu ihr und Ihrem Team aus Therapeuten und Psychologen kommen Menschen mit Behinderungen aus Bobolice und Umgebung. Die Besucher werden entsprechend ihrer Fähigkeiten und Interessen therapeutisch begleitet und unterstützt. Im Zentrum der fachlichen Hilfen steht, die Selbständigkeit der Menschen zu erhalten bzw. zu fördern und sie zu befähigen, viele Tätigkeiten des Alltags ohne andere Hilfe auszuführen.

 

Die „Universität der 3. Generation“ ist ein Projekt für die Seniorinnen und Senioren der Gemeinde Bobolice. Sie ermöglicht den Interessenten Bildung in der 3. Lebensphase. Kooperationen mit Universitäten, Vorträge, Seminare, aber auch kulturelle Veranstaltungen prägen die inhaltliche Arbeit der Initiative.

 

Viele intensive persönliche Begegnungen fanden während des Besuches statt. Beiderseits wurde viel zum Verständnis der jeweiligen Sozialgesetzgebung und der inhaltlich-fachlichen Arbeit beigetragen.

Europa ist nicht nur Wirtschaftsraum. Über Europa zu sprechen, heißt über seine Bürger zu reden. Was Europa ebenso ausmacht, ist die Arbeit für einen sozialen Zusammenhalt seiner Bürgerinnen und Bürger, mit- und ohne Behinderungen. Europa wird konkret, wenn Inhalte und Themen vor Ort durch seine Menschen vorangebracht werden. Dabei spielen Austausch und Kooperation, sowie die konkrete Arbeit an gemeinsamen Themen eine wesentliche Rolle.

 

Ein Telefonat nach Bobolice ist somit zugleich an Anruf nach Europa.